Als am Freitag dem 06. September um 5:00 morgens der Wecker klingelte, stand ich deutlich lieber auf, als ich es sonst um diese Uhrzeit tue. Denn anstatt zur Arbeit zu müssen, sollte es zum Flughafen gehen. Nach mehr als einem Jahr stand nämlich endlich der nächste USA Roadtrip an. Und ohne zu viel im Voraus verraten zu wollen: die Route sollte dieses Jahr nochmal bescheuerter werden als gewöhnlich.
Erst einmal mussten wir aber ja überhaupt zum Start der Route gelangen, der dieses Mal in Denver lag. Ohne größere Vorkommnisse ging es in aller Frühe von Köln erst einmal nach München um von dort aus dann nach Denver zu fliegen. Dass unser Flug in München von einem Gate ohne jegliche Verpflegungsmöglichkeiten und ohne Entertainment starten sollte, stieß uns nur kurz sauer auf, war dann aber schon wieder egal. Nicht so egal war dann der Aufruf unserer Namen während des Boarding-Prozesses. Am Schalter teilte man uns mit, dass die von uns gebuchten (und extra bezahlten) Sitze mit mehr Beinfreiheit leider nicht zur Verfügung stehen und man uns deshalb umgesetzt hatte. Mehr Beinfreiheit hatten wir trotzdem, aber statt nur zu zweit saßen wir nun zu dritt in der Reihe – ein kleiner aber doch etwas nerviger Unterschied. Den deutlich größeren Nervfaktor stellten dann die Sitze selbst dar. Die waren nämlich unverhältnismäßig schmal, nicht sonderlich bequem und Sandras Entertainment System gab es nur ohne Ton. Beste Voraussetzungen also für einen knapp zehnstündigen Flug. Aber immerhin schmeckte das Essen, die Toilette funktionierte und wir kamen gut und pünktlich an. Uns wurde sogar von einem der Flugbegleiter zweimal versprochen, dass er schaut, was er akut und für den Rückflug für uns machen könnte. In beiden Fällen tauchte er aber einfach nicht mehr auf. Fantastischer Service also.
In Denver selbst ging es dann bei der Einreise dafür so schnell wie noch nie. Reisepässe hingelegt, Fotos gemacht, die Frage ob wir irgendwas dabei hätten mit „nein“ beantwortet und das wars auch schon. So schnell schafften es selbst unsere Koffer nicht aus dem Flugzeug, wobei meiner sich sowieso nochmal extra viel Zeit ließ. Mit Gepäck ging es dann direkt raus, in den extrem klimatisierten Shuttlebus und ab zum Mietwagenzentrum. Dort bekamen wir bei Hertz den letzten SUV der überhaupt noch auf dem riesigen Parkplatz stand und düsten die klassische halbe Stunde zum Start bis zu unserem ersten Hotel. Und nach einem kurzen Ausflug zu Walmart war die Anreise dann auch schon geschafft und der Urlaub konnte beginnen.
Tag 1: Auf den Spuren von 2019
Wie es zum Start in einen USA Urlaub so üblich ist, war die erste Nacht bestimmt vom ewigen Kampf Körper gegen neue Zeitzone. Jede Stunde wurde ich wach, schaute auf die Uhr und versuchte weiter zu schlafen bis es um 5 Uhr morgens einfach nicht mehr ging. Da es so früh noch nicht einmal das Frühstück im Hotel gab, versorgten wir uns mit Zimt-Bagels und Marmelade von Walmart, die wir uns am Vorabend noch gekauft hatten und brachen schon kurz nach Sonnenaufgang auf. Unser erster Stop führte uns nach nur einer Stunde Fahrt zum Garden of the Gods in Colorado Springs. Schon vor 5 Jahren haben wir unseren damals letzten USA Urlaub vor der Corona-Pandemie dort begonnen und der Ort war auch diesmal genauso schön wie wir ihn in Erinnerung hatten.
Es waren nur wenige Menschen vor Ort, dafür die ein oder anderen Reh-Familie, die sich von uns auch kaum beim Frühstück stören ließen. Nach einem entspannten Spaziergang gönnte sich dann auch Sandra noch ein kleines zweites Frühstück in Form eines Cappuccinos für nur 8 Dollar – ein richtiger Schnapper! Aber hey, wir hatten schließlich 2,5 Stunden Fahrt vor uns, da kann man sich ja auch mal was gönnen.
Im Gegensatz zu unserem letzten Trip durch Colorado mussten wir diesmal einen Fehler korrigieren. Damals hatten wir uns bei der Wahl zwischen dem Pikes Peak, einem über 4.000 Meter hohen Berg, den man mit dem Auto befahren kann, und dem Great Sand Dunes Nationalpark, aufgrund der geringeren Fahrzeit für den Berg entschieden und so die Chance auf einen Nationalpark leichtfertig weggeworfen. Dies wurde nun korrigiert und als wir nach 2,5 Stunden Fahrt durch ziemliches Nirgendwo ankamen fühlte es sich gut an. Die Landschaft war auf den ersten Blick völlig verrückt, denn da waren einfach riesige Dünen (was für eine Überraschung bei dem Namen des Nationalparks) direkt vor dem Bergmassiv.
Ich sag es wie es ist: obwohl ich mir die Tafeln im Park durchgelesen habe, hab ich immer noch nicht verstanden, wieso es hier Dünen gibt. Irgendwas mit Gletschern, uralten Ozeanen und Wind oder so. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass man sich hier auf über 2.500 Metern Höhe befindet, wird das Ganze nur noch verrückter. Leider gab es aber ansonsten nicht wirklich viel für uns im Nationalpark zu tun, weshalb wir uns nach einem recht kurzen Aufenthalt wieder ins Auto setzten um erneut entspannte 2,5 Stündchen fernab jeglicher Interstate (und Zivilisation) durch Colorado zu fahren. Allerdings gab es auf dem Weg auch ein paar Kuriositäten. So kamen wir plötzlich an einem Schild mit der Aufschrift „Cosmic Highway“ vorbei, gefolgt von Alien Figuren, Grüßen an ET und einer UFO-Nachbildung, welche sich als UFO-Watchtower entpuppte. Angeblich soll es hier schon zu diversen UFO-Sichtungen gekommen sein und manche Menschen erzählen sogar von außerirdischen Begegnungen und Entführungen. Schon merkwürdig, dass sowas nur in den USA und nur vollkommen am Arsch der Welt vorkommt, oder? Ähnlich bemerkenswert und abstrus war dann ein Schild, was auf eine Farm mit mehr als 300 Alligatoren hinwies – wohl gemerkt mitten im Niemandsland von Colorado, fernab von Wasser. Sogar Morris, der Alligator aus dem Adam Sandler Klassiker Happy Gilmore sollte dort leben. Allerdings bestand diese ominöse Alligator-Farm lediglich aus drei zeltartigen Gebäuden und ich frage mich auch jetzt noch, ob es sich hier um einen Scam oder einfach wahnsinnig tierfeindliche Aufbewahrung handelt.
Wenn man so viel Zeit am Steuer hat und so wenig zu sehen bekommt, kommt man ja auch schonmal ins Grübeln. In dieser Episode: wieso sind Kraftausdrücke im amerikanischen Radio grundsätzlich zensiert zum Schutz der Jugend, wenn man den Kindern doch einfach Waffen in die Hand drücken könnte, um auf die bösen Worte zu schießen? Das ist doch normalerweise immer die Lösung, die man in den USA bevorzugt.
Irgendwann am Nachmittag kamen wir dann aber an unserem ersten richtigen Halt des Urlaubs in Gunnison an. Der Hunger trieb uns zum örtlichen China-Restaurant „Double Dragon“, wo wir uns beide für den Sesam-Tofu mit Reis entschieden. Wir rechneten mit einem Gericht mit Reis, Tofu, Gemüse und Soße, aber stattdessen bekamen wir einen Berg marinierten, frittierten Tofu und eine To-Go Box Reis. Der Tofu war lecker, aber die Soße schien zu 9 Teilen aus Zucker und zu einem Teil aus Sriracha zu bestehen und ich hatte das Gefühl, mir verklebt es den Magen während ich gleichzeitig Diabetes entwickle. Dass mir alle zwei Schlücke neues Chlorwasser durch die sehr freundliche Bedienung nachgeschüttet wurde, machte es auch nicht besser. Ich hatte ein bisschen das Gefühl, der Mann führte mit mir ein soziales Experiment durch, wie viel Wasser er mir in kürzester Zeit einflößen kann.
Am Ende nahmen wir große Teile des Essen mit in unser Hotel: das gut klingende und von außen auch gut aussehende „The Inn“ am Golfkurs etwas außerhalb des Ortes. Natürlich aßen wir die Tofu-Reste noch auf und gingen dann mit vollen, verklebten Magen und der Zucker-Dosis eines halben Jahres relativ früh schlafen – der Jetlag ließ mal wieder grüßen.