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USA Roadtrip 2023: Der lange Weg an die Pazifikküste.

Nach der spektakulären Pick-up-Parade des Vorabends standen wir am darauffolgenden Morgen mehr oder weniger freiwillig sehr früh auf, weil der Jetlag wieder kickte. Bei strahlend blauem Himmel fiel uns der frühe Start in den Tag dann natürlich gleich doppelt leicht – ganz im Gegensatz zur Person an der Rezeption unseres Motels. Hatte uns die junge Frau in Jogginghose und Batik-Shirt am Vorabend noch berichtet, dass es am Morgen ab 6:30 eine kleine Frühstücksecke gibt, wusste der Kollege oder die Kollegin der Frühschicht ganz offensichtlich nichts davon, denn auch um 6:45 war die Türe noch verschlossen. Da wir keine Lust hatten, auf Toast mit Marmelade noch länger zu warten, packten wir unsere Sachen zusammen und starteten den ersten Fahrtag aus der Hölle, der mir am Ende siebeneinhalb Stunden am Steuer schenken sollte. Zunächst fuhren wir aber erst einmal nur eine Stunde bis zu unserem ersten Nationalpark dieser Reise: dem Great Basin Nationalpark. Dort hatten eine Höhlen-Tour gebucht. Das führte dazu, dass uns während der Fahrt stetig die Angst packte, da die Ankunftszeit bei Google Maps lustig eine Stunde vor und zurück sprang. Wir befanden uns zwar eindeutig in Nevada, aber die Zeitzonen-Grenze war so nah, dass selbst das Handy verunsichert war. Letztlich kamen wir aber pünktlich an und stellten vor der Höhle fest: offensichtlich sind auch viele Kinder am Start. Bei genauerer Betrachtung hatte allein ein Elternpaar 7 Sprösslinge dabei. Da alle alterstechnisch sehr nah beieinander lagen, muss die Mutter die letzten 10 Jahre quasi ununterbrochen schwanger gewesen sein. Hut ab vor dieser Leistung, Ihre Kinder waren hingegen nicht so performant unterwegs, denn schon auf dem Weg in die Höhle verloren wir fünf von ihnen inklusive des Vaters. Die Lehman Cave selbst war dann eine kleine aber durchaus eindrucksvolle Tropfsteinhöhle und die 60 minütige Tour wirklich unterhaltsam. Dass die Amerikaner im größten Raum der Höhle bereits eine Bar, Hochzeiten und einen Abschlussball zelebriert haben wunderte dabei irgendwie niemanden.

Wieder an der Oberfläche und im Tageslicht angekommen, liefen wir noch ein wenig durch die Landschaft und fuhren dann so weit durch den Park, wie die Straßenverhältnisse es zuließen. Denn obwohl es Anfang Juni war, war die Straße über den Gipfel des Nationalparks aufgrund der Schneesituation noch gesperrt. Daher hielten wir am höchsten erreichbaren Punkt, gönnten uns ein paar Snacks und genossen dabei die Aussicht. Es sollte der letzte schöne Moment vor einer langen Tortur sein.

Denn vom Great Basis Nationalpark aus, der im äußersten Osten Nevadas liegt, führte unsere weitere Route einmal quer durch den gesamten Bundesstaat bis nach Reno. Klingt super, oder? Vor allem dann, wenn man 90% der gesamten Strecke auf ein und dem selben Highway verbringt. Es handelte sich dabei um den Highway 50, der den Spitznamen „Loneliest road in America“ trägt.

Wir haben dieses unnütze Wissen erst während der Fahrt aufgeschnappt, aber ich kann diese Bezeichnung voll und ganz so unterschreiben. Laut Internet kommt der Name daher, dass es entlang des Highways so gut wie keine Anzeichen von Zivilisation und auch keine Points-of-Interest gibt. Und ich kann nur sagen: das trifft den Nagel auf den Kopf. Wenn eine Landschaft den Begriff „Niemandsland“ verdient hat, dann diese.

Das bemerkenswerteste Ereignis war eine Art Heuschreckenplage, die zwischendurch urplötzlich aufkam und während welcher zahllose hüpfende Zeitgenossen an unserem Auto zerschellten oder unseren Reifen zum Opfer fielen. Ansonsten ging es insgesamt 600 Kilometer einfach nur mit einer durchgehenden Geschwindigkeit geradeaus. Man hinterfragt während einer solchen Fahrt dann durchaus die ein oder andere Lebensentscheidung und fragt sich, was im Kopf falsch gelaufen sein muss, dass man freiwillig diese Route wählt. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie froh ich war, als ich unser Hotel in Reno erreichte und erstmals wieder aus dem Auto steigen konnte. Dass ich nur wenige Minuten später wieder am Steuer saß um in eine Outlet-Mall zu fahren und unerklärlich scharfe Pizza mit veganem Belag zu essen, sei an dieser Stelle nur beiläufig erwähnt. Körperlich und geistig war ich zu diesem Zeitpunkt schon zu nicht viel mehr in der Lage.

Auch am nächsten Morgen entpuppte sich der Wecker lediglich als optionales Feature, da wir immer noch mit der Zeitzone fremdelten. So konnten wir aber entspannt im Zimmer frühstücken bevor wir uns wieder ins Auto begaben. Aber nicht etwa, um uns Reno anzuschauen. Wieso sollte man sowas denn tun? Unser Ziel lag 2,5 Stunden entfernt und schon wieder in einem anderen Bundesstaat. Wir wollten nämlich zum Lassen Volcanic Nationalpark in Kalifornien. Und so fuhren wir bei strahlendem Sonnenschein quer durch die Landschaft. Es war so lange eine entspannte Fahrt, bis ich eine Wasserflasche mit Cola gefüllt öffnen wollte. Diese explodierte nämlich förmlich in meiner Hand. Der Deckel flog mit einem lauten Plop quer durchs Auto, Cola spritzte in mein Gesicht und auf meine Klamotten aber natürlich konnte ich trotzdem noch weiter geradeaus fahren. Im Nationalpark angekommen, machten wir erstmal eine kleine Wanderung um den Manzanita Lake und genossen dabei tolle Ausblicke.

Da wir noch etwas mehr Bewegung haben wollten, liefen wir auch noch die paar Meter um den kleinen Bruder des Manzanita Lakes bevor wir weiter in den Nationalpark hinein fuhren. Die eigentlich geplante Durchfahrt von Nord nach Süd stand, wie schon im Great Basis Nationalpark, aufgrund von schneebedingten Sperrungen nicht zur Verfügung. Allerdings fragten wir uns während der Fahrt, wo dieser ganze Schnee denn sein sollte. Die Frage erübrigte sich dann aber zwei Serpentinen später, als am Straßenrand plötzlich Schnee auftauchte und dieser dann nach und nach mehr wurde, bis wir die Devastated Area und somit auch die Straßensperrung erreichten.

Wie man sieht, lag am Straßenrand schon ordentlich Schnee. Und auch der Waldboden war an beiden Seiten komplett schneebedeckt. Daher fühlte es sich auch durchaus eigenartig an, dort in Shorts herumzulaufen. Aber wenn man sich einer Sache in den USA stets sicher sein kann, dann das absolut niemand sich auch nur eine Sekunde darum schert, was man trägt. Wir hätten dort auch in Pyjamas und Adiletten am Start sein können und hätten wahrscheinlich nichtmal einen Blick geerntet. Da es für uns an dieser Stelle nicht weiter gehen konnte, kehrten wir um und setzen unsere Tour durch Kalifornien fort, bis wir schließlich in Cottonwood, unweit von Redding im Zentrum des Sunshine States unsere nächste Unterkunft erreicht. Auf dem Weg dahin stieg die Temperatur übrigens stetig an bis schließlich auch die 100 Grad Fahrenheit Marke fiel. Im Zenit hatten wir gut 40 Grad Celsius Außentemperatur – und das obwohl wir kurz zuvor noch durch den Schnee stapften.

Aber kommen wir zu unserer Unterkunft in Cottonwood. Ich würde gerne von einem Hotel berichten, allerdings hatte das „Travelers Motel“ diesen Namen nicht auch nur im Ansatz verdient. Das Gebäude lag in der Abfahrt von der Interstate und ich meine wirklich in der Abfahrt. Man musste zwangsläufig daran vorbei und es gab quasi keinerlei benachbarte Häuser. Dafür standen erstaunlich viele Anhänger und Umzugswagen auf dem Gelände rum, was uns zunächst durchaus wunderte. Es stellte sich heraus: unser Motel war gleichzeitig eine U-Haul Transporter-Vermietung – eine spezielle Kombination, wie ich finde. Da eine Stornierung nicht mehr möglich war, betraten wir den Gebäude-Bereich, der am ehesten nach Rezeption aussah und standen dann in einem unbesetzten Raum. Wir klingelten, machten uns mit Rufen bemerkbar aber außer zwei bellenden Hunden, die zwischendurch mal vorbeischauten, passierte nichts. Plötzlich schaute ein kleiner Junge hinter dem Vorhang hervor, erblickte uns schockiert, rannte weg und rief seine Mutter. Die schrie ihn erst an und bequemte sich dann doch tatsächlich nach 10 Minuten Wartezeit zu uns. Es wirkte, als hätten wir sie gerade vom Klo geholt, wo sie beim Handyvideo anschauen eingeschlafen war. Als sie dann auch noch feststellte, dass wir keinen Transporter sondern ein Zimmer gemietet hatten, hatte sie das Maximum ihrer Lustlosigkeit erreicht, drückte uns einen Schlüssel in die Hand und wünschte uns einen guten Aufenthalt. Schon zu diesem Zeitpunkt war uns klar: den werden wir nicht haben. Unser Zimmer war dann zwar großzügig, dafür aber muffig, dunkel und einfach nicht einladend. Woher all die dunklen Haare im Badezimmer und auf dem Rest des Teppichs kamen, wollten wir gar nicht so genau wissen. Da wir aber bei Panda Express in der Nähe keine geeignete Nahrung bekamen, kauften wir uns veganes Popcorn Schicken für die Mikrowelle, Salat, Wraps und Dumplings und ließen es uns auf unserem eigenen Geschirr in unserem kleinen Drecksloch schmecken.

Die Nacht war dann leider so, wie es das gesamte Motel vermuten ließ – schlecht. Die Klimaanlage klang wie ein startender Jet, allerdings kam ohne sie aufgrund der Außentemperaturen sehr schnell Sauna-Flair auf. Um 5:45 wurden wir dann beide von Geräuschen aus dem Nebenzimmer geweckt. Es handelte sich höchstwahrscheinlich um den eigentümlichen Klang der Liebe eines Paares, es könnte aber genauso gut ein zeremonielles Opferritual oder ein Erstickungsanfall gewesen sein. Als gezwungene Zuhörer war es auf jeden Fall sehr unangenehm. Wir vertrödelten dann notgedrungen noch etwas Zeit, bevor wir dann in die nahegelegene Mt Shasta Mail fuhren, ein bisschen bummelten und uns ein veganes Schokoladeneis in der Coldstone Cremery holten. In Kombination mit dem warmen Wetter kam doch tatsächlich so etwas wie richtiges Urlaubsfeeling auf. Das nutzten wir dann zur Weiterfahrt nach Westen. Auf dem Weg legten wir noch einen Stop am Whiskeytown Lake ein um zumindest ein wenig die Landschaft zu bewundern. Grundsätzlich war dieser künstlich angelegte Stausee durchaus nett und ansehnlich, allerdings hatte die direkte Umgebung ganz offensichtlich massiv unter Waldbränden gelitten, was das Gesamtbild durchaus eintrübte.

Auf dem weiteren Weg hielten wir dann auch noch einmal an, um ein paar Wasserfälle anzuschauen. Auch diese waren eher überschaubar schön, aber auf dem Weg dorthin begegneten wir zumindest einem Reh und einem Eichhörnchen. Abgesehen vom Eis am Vormittag waren das die Highlights dieses Tages. Denn in der Folge ging es nur auf der Straße immer weiter nach Westen. Letztlich waren es „nur“ 2,5 Stunden Fahrt, aber diesmal fühlte es sich unendlich an. Wir verloren beide dabei ein ganzes Stück weit Lebensenergie. Aber nicht nur das, sondern auch 20 Grad Außentemperatur und die Sonne. Denn kaum erreichten wir Eureka an der Pazifikküste, lag alles im kalten Nebel bei 15 Grad Celsius. Diese triste Szenerie passte aber zum Ort, denn Eureka selbst ist einfach trostlos und wirkt durchweg lebensverneinend. Schon 2017 bezeichnete ich diese Kleinstadt als Szenerie einer Zombie-Apokalypse und daran hat sich in den letzten 6 Jahren nichts verändert. Extrem merkwürdige Gestalten bevölkerten die Straßen, die Gebäude sind heruntergekommen und stehen oftmals leer und man fühlt sich einfach unwohl. Allein die örtliche Mail machte schon beim Anblick depressiv.

Daher haben wir nur schnell etwas bei Carl’s Jr. gegessen und sind dann zu Target, um noch ein paar Lebensmittel einzukaufen. Dass dort eine Frau ihre Haustier-Ente in einem offenen Rucksack durch den Laden trug, überraschte uns zu diesem Zeitpunkt schon nur noch bedingt. Nach diesem Einkauf flüchteten wir dann mit unserem Auto nach Blue Lake, wo wir abseits von Endzeit-Eureka ein richtigen Hotel hatten, was den Namen auch verdiente. Die Toilettenspülung wirkte zwar in Sachen Absaug-Druck wie eine Flugzeugtoilette, sodass man Angst haben musste, dass einem die Innereien aus dem Körper gesogen werden, wenn man zu früh spült, aber ansonsten fühlten wir uns sehr wohl und konnten so den Tag entspannt ausklingen lassen. Nach insgesamt knapp 2.000 Kilometern Fahrstrecke hatten wir endlich die Küste erreicht – den Schlaf hatten wir uns also redlich verdient.

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