Der letzte Montag in Japan begann wie so viele andere Tage hier zuvor auch: mit einem Wecker-Klingeln, dass uns aus dem Schlaf riss. Diesmal war es 7:45, denn laut Aushang an der Rezeption sollte der Frühstücksraum insbesondere zwischen 8 und 9:30 sehr „busy“ sein und es könnte zu Wartezeiten kommen. Also wollten wir clever noch vor 8 auftauchen und die Massen umgehen. So standen wir sofort auf (übrigens haben Wolli die Wolldecke und ich uns doch erstaunlich gut arrangiert), zogen uns irgendetwas an und fuhren umgehend noch im Halbschlaf nach unten. Dort dann der Schock: unser wahnsinnig ausgeklügelter Plan ging nicht auf. Der ganze Eingangsbereich des Hotels stand voll mit Menschen und es wurden tatsächlich vor dem kleinen Frühstücksraum kleine Kärtchen mit Nummern verteilt. Was genau die Nummern bedeuteten oder wie lange wir warten mussten teilte man uns zwar mit, aber da unser Japanisch in den letzten 2,5 Wochen irgendwie nicht wirklich besser wurde, half uns das nicht weiter. Von auch nur einem englischen Wort konnte wir selbstverständlich nur träumen. So standen wir da, beobachteten das Schauspiel gut zwanzig Minuten und zwischenzeitlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich auf einen Platz zum Frühstücken warte oder einen neuen Personalausweis beantragen wollte. Irgendwann durften wir dann eintreten und wofür? Für ein dürftiges Frühstücksbuffet. In Sachen Dürftigkeit war der Behörden-Vergleich also definitiv passend. Etwas schlechtes Gebäck, ein wenig Granola mit Milch bzw. Joghurt und Reis mit einem Spiegelei schaufelten wir dann rein und verschwanden anschließend schnellstmöglich wieder ins Zimmer, um unseren unterbrochenen Schlaf fortzusetzen.
Erst gegen Mittag wurden wir langsam wieder wach, aber unser Antrieb für den Tag war entweder vor dem Frühstücksraum stiften gegangen oder lag noch im Tiefschlaf. So gammelten wir vor uns hin und überlegten, was wir denn nun mit dem angebrochenen Tag noch anfangen sollten. Das Wetter war grau und trist und so fiel die Entscheidung zunächst auf einen Besuch bei 7Eleven. Dort deckten wir uns mit Frühstück für die nächsten zwei Tage ein, denn nach dem Debakel am Morgen stand für uns fest: dafür lohnt sich weder das frühe Aufstehen, noch das Warten. Anschließend setzten wir das Rumgammeln fort bis wir zu dem Entschluss kamen, es wäre Zeit für das Mittagessen – wohl gemerkt war es mittlerweile etwa 15:30. So zogen wir los und just in dem Moment, als wir das Hotel verließen, fing es erstmals an zu regnen. Über den Bahnhof von Osaka gelangten wir trotzdem zum auserkorenen Curry-Lokal und stellten auf dem Weg fest: entweder reisen immer noch genauso viele Leute wie am Vortag über den Bahnhof Osaka oder die gleichen Leute suchen immer noch nach Gehirnen. Im Restaurant gab es dann sogar eine Karte in einer Sprache, die wir verstehen und so konnten wir mit Zeigen auf Gerichte kommunizieren – unsere Bedienung sprach natürlich wieder kein Wort Englisch und er hatte es auch nicht so sonderlich mit der Freundlichkeit. Das Essen war aber ok und so konnten wir mit vollem Magen weiterziehen. Es ging zurück zum Bahnhof und in einen Regionalzug, mit dem wir nach 15 Minuten Fahrt und 10 Minuten Fußweg bei HardOff in einem Vorort von Osaka ankamen. Ein letztes Mal stöberten wir durch Kleidung, Kleinkram und Spiele und verabschiedeten uns dann von meinem liebgewonnenen Second Hand Laden – ein schwerer Moment. Vom Bahnhof setzten wir unsere Zugfahrt dann fort bis nach Kobe. In der Zwischenzeit hatte es sich übrigens so richtig schön eingeregnet, sodass Spaziergänge so richtig viel Spaß machten.
In Kobe suchten wir dann den direkten Weg durch den Regen zum Hafen und was wir so sahen, wirkte tatsächlich einladend und ziemlich westlich.
Hätte es nicht geregnet, hätten wir hier sicherlich etwas mehr Zeit verbracht. So wurde es eher ein „been there, done that“ Besuch und nachdem man im Vissel Kobe Fanshop dann auch noch 165 Euro für ein Podolski Trikot haben wollte, war es auch schon wieder Zeit, sich von Kobe zu verabschieden. Wenn ihr euch nun wundert, wieso ich nicht einmal das weltberühmte Kobe-Steak probiert habe, wenn ich schonmal vor Ort bin, dem sei es prägnant erklärt: 35 Euro für ein 90g Steak ohne Beilagen ist mir einfach zu viel Geld. Da gönnte ich mir lieber zum Abschluss des Tages noch einen Caesar Salad, ein Sandwich und ein Eis von 7Eleven – so wie man es von mir gewöhnt ist. Aber auf dem Weg dorthin, wurden wir noch Zeuge eines Skandals: am Bahnhof in Kobe gab es tatsächlich „erhebliche“ Verspätungen. Der Zug, den wir nahmen, hatte eine Verspätung von sage und schreibe 25 (!!!) Minuten. Was in Deutschland wohl noch fast als pünktlich durchgeht, ist hier in Japan die absolute Ausnahme. Mich würde es nicht wundern, wenn die Lokführer sich in Grund und Boden schämen würden. Aber Verspätung kann ja jedem Mal passieren.
Dank unseres super eingekauften Frühstücks vom 7Eleven konnten wir am Dienstag somit erstmals in diesem Urlaub vollkommen ausschlafen. Blöd nur, wenn der eigene Körper pünktlich um 7:48 so akuten Harndrang entwickelt, dass man trotzdem aufstehen muss. Zum Glück konnten wir den Schlaf aber fortsetzen und im Laufe des Vormittags dann entspannt frühstücken um anschließend nochmal eine Runde bis mittags zu schlafen – Erholung ist schließlich wichtig. Irgendwann machten wir uns dann fertig, setzten das Rumgammeln des Vortages fort bis wir irgendwann dann doch den Entschluss trafen, vor die Tür zu gehen. Uns bzw. vor allem mich zog es nach Nipponbashi, auch bekannt als DenDen Town – den Elektro-Marktplatz von Osaka. Im Gegensatz zu Tokio hatte ich im Vorfeld aber drei Läden rausgesucht, die wir dann auch nacheinander abklapperten und ich meine Kollektion für diesen Urlaub dann endgültig komplettierte. Nach meiner Rückkehr wird das Retro-Konsolen-Museum zuhause also definitiv überarbeitet und die neuen Schnäppchen-Schätze werden in Szene gesetzt. Anschließend liefen wir durch das graue, aber aus irgendeinem Grund schwül-warme Osaka weiter, um das von Sandra auserwählte Lokal des Tages aufzusuchen. Wobei in diesem Fall Lokal fast zu hoch gegriffen ist, in Wirklichkeit war es eher eine Art kleiner Imbiss. So unscheinbar dieser wirkte, umso leckerer waren die Falafel-Platten, die wir dort verspeisten. Ja, richtig erkannt, wir sind auch am Ende des Urlaubs mit der einheimischen Küche nicht wirklich warm geworden. Mittlerweile war es dunkel geworden und wir dachten, dann sollten wir uns vielleicht doch mal die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt geben: den Glico-Man in Dotonbori. Das Vergnügungszentrum der Stadt ist weltbekannt für die zahlreichen Neon-Reklamen und am Anfang der Hauptstraße des Viertels kann man bei der Werbung sogar noch richtig Oldschool hören, wie die Reklame arbeitet.
Insgesamt war Dotonbori so, wie man sich Japan vorstellt: leuchtend, bunt und laut. Aber gleichzeitig auch unfassbar voll. Man konnte kaum zwei Meter gehen, ohne im Fußgängerverkehr stecken zu bleiben. Dass Japaner Weltmeister in den Disziplinen „Im Weg rumstehen“ und „Langsam gehen“ sind, machte das ganze nicht besser.
Da wir beide es nicht riskieren wollten, irgendwann durchzudrehen und uns einen Weg durch die Menge zu bahnen, indem wir störende kleine Japaner durch die Luft werfen, entschieden wir uns stattdessen für den Rückweg. Wir liefen somit zum nächstgelegenen Bahnhof, stiegen in die gewohnt pünktliche Bahn und dachten uns nichts dabei. Irgendwann schaute ich mich um und erblickte über der Tür den Hinweis „Women only“. Verwundert schaute ich nach rechts: nur Frauen. Ich schaute nach links: nur Frauen. Und plötzlich kam mir die Erkenntnis: Verdammt, irgendwie waren wir in einen rein weiblichen Wagen des Zuges geraten – genau wie vier Kerle uns gegenüber. Glücklicherweise stiegen wir an der nächsten Haltestelle sowieso aus und konnten so die peinliche Situation auflösen. Nach einem klassischen Abendessen-Stop bei 7Eleven war dann auch unser vorletzter Tag in Japan vorbei. Auf einmal nahte das Ende des Urlaub mit enorm großen Schritten.
Aufgrund der vielen Nickerchen der letzten Tage fiel mir doch tatsächlich das Einschlafen etwas schwer. Daher wunderte es mich nicht, dass mir das Aufstehen an unserem letzten vollen Tag hier in Japan mindestens genauso schwer viel. Es klappte aber irgendwie, wir machten uns fertig, frühstückten den Rest unseres Granolas, packten unsere Koffer und dann hieß es Abschied nehmen von Wolli der Wolldecke, dem Hotel und auch von Osaka. Denn wir verließen sofort das Hotel, liefen zum Bahnhof und stiegen in den Zug Richtung Flughafen. Nach einer Stunde Fahrt bei extrem tristen und ungemütlichem Wetter kamen wir an und zogen unsere Koffer zum letzten Hotel unserer Reise, welches unmittelbar mit dem Flughafen selbst verbunden ist. Wir wollten es zum Abschluss nochmal gemütlich vor dem Abflug haben. Natürlich waren wir viel zu früh zum Check-in und natürlich konnte der Mitarbeiter, der unser Gepäck zur Lagerung entgegennahm, bestenfalls eine Hand voll englischer Wörter. Aber daran hatten wir uns im Laufe des Urlaub nun wirklich gewöhnt. Kaum waren wir unser Gepäck los, schmissen wir uns in die Regenjacken, gingen wieder die paar Meter zum Bahnhof und fuhren eine Station zurück nach Rinku-Town. Dort wollten wir die Stunden bis zum Check-in nämlich im örtlichem Premium Outlet verbummeln – damit zumindest einmal in drei Wochen so ein bisschen USA-Feeling aufkommt.
Wie zu erwarten, war es dank der Golden Week im Outlet ziemlich voll und die Japaner taten erneut das, was sie scheinbar am besten können: im Weg rumstehen, sinnlose Richtungswechsel vollziehen und einfach wahnsinnig unstrukturiert umher laufen. Trotzdem schafften wir es, eine recht entspannte Zeit zu verbringen und mal durch alle Läden zu bummeln, die uns auch nur im Ansatz ansprachen. Einzig gekauft haben wir nicht, was zweierlei Gründe hatte. Zum einen war das Reisebudget, wenn es denn jemals eins gegeben hat, schon lange aufgebraucht. Zum anderen gab es schlicht und ergreifend keine Kleidung, die passte. Herrenschuhe gab es maximal bis US-Größe 10 – ich brauche 12. Und die japanische Kleidergröße L hat mit wohlwollen etwas mit einer europäischen Größe M zu tun. Größer als L gab es aber so gut wie nichts, sodass man mich, selbst wenn ich etwas hätte kaufen wollen. wahrscheinlich aus den Sachen hätte rausschneiden müssen, die ich anprobiert hätte. Das hätte ich natürlich niemandem zumuten können. Während des kompletten Aufenthalts im Outlet hörte es übrigens keine Sekunde auf zu Regnen. Also entweder ist Japan traurig, dass wir abreisen, oder man möchte uns am letzten Tag vergraulen. Nachdem wir wirklich jede Ecke des Outlet-Centers mal gesehen hatten, stellten wir uns in die Schlange vor dem Burger-Restaurant, um unser Mittagessen zu uns zu nehmen – wir mussten uns selbst ja treu bleiben und erneut japanisches Essen meiden. Die Burger bzw. Sandwiches waren sogar ganz lecker, obwohl das Restaurant es irgendwie schaffte, das gesamte Open-Air Outlet zu verqualmen und mit einem Fettgeruch zu versorgen, auf den selbst McDonalds neidisch wäre. Anschließend ging es dann gemütlich mit dem Zug zurück ins Hotel, wir checkten ein, bezogen unser Zimmer und lungerten erstmal rum – war ja immerhin schon etwa 16 Uhr. Man merkte uns spätestens an diesem letzten Tag an, dass die Luft für Japan raus war. Wo andere, und im Normalfall auch wir, nochmal jede Minute des Urlaubs nutzen, hingen wir lieber rum. Am frühen Abend überkam es uns aber doch nochmal und wir zogen los, um unser letzten Bargeld auf den Kopf zu hauen. Wir besuchten jeden Supermarkt auf dem Flughafengelände, bis wir im letzten fündig wurden und uns zwei Salate, Reis und jeweils ein prunkvoll aussehendes Törtchen gönnten – ohne auch nur im geringsten hungrig zu sein. Entsprechend schlecht war uns dann nach unserem letzten Mahl in Japan und den Rest des finalen Abends unserer Reise verbrachten wir, wie gewohnt, gemütlich auf unserem Zimmer.
Somit waren dann satte drei Wochen Japan mit einem Mal vorbei. Wir haben viel gesehen, viel erlebt und ich werde unseren ausgiebigen Rückflug dazu nutzen, die Eindrücke noch einmal Revue passieren zu lassen um nach der Rückkehr in die Heimat ein Fazit zu ziehen. Eins steht aber in jedem Fall jetzt schon fest: die Reise nach Japan war definitiv nicht unsere letzte – noch nicht einmal für dieses Jahr. Dieses Reisefieber wird man so schnell einfach nicht mehr los.