Da wir bekanntlich ja in Japan sind, um auch was zu sehen, und nicht nur die ewig währende Suche nach coolen Retro-Videospielen fortzusetzen, hieß es am Freitagmorgen schon wieder Koffer packen. Bevor wir aufbrachen, hieß es aber natürlich noch Frühstückszeit. Der Frühstücksraum war voll, roch wie ein Nordseehafen und war mit Möbeln ausgestattet, die von der Höhe auch problemlos in eine Kindertagesstätte gepasst hätten. Das Essen passte dann leider zum Ambiente und war eher mau, sodass wir dann auch recht bald das Hotel verließen. Unsere großem Koffer drückten wir dem nett lächelnden Herren an der Rezeption in die Hand und fragten, ob wir diese über Nacht hier lassen könnten, da wir am Samstag nochmal für eine Übernachtung wiederkommen würden. Er nickte, lächelte freundlich und antwortete „Luggage“ – es war also eine eindeutige Zustimmung, oder der Mann hatte nur dieses eine Wort von dem verstanden, was wir ihm erzählt hatten. Wir verließen mit unseren Rucksäcken bewaffnet trotzdem das Hotel und setzten uns in die Straßenbahn zum Bahnhof, von wo wir zur Insel der Götter aufbrechen wollten: Miyajima. Wieso die Insel so heißt, weiß ich gar nicht genau, aber irgendwas mit heilig oder so steht im Internet. Bevor wir aber den Ort ansteuerten, von wo die Fähre startet, machten wir noch einen kurzen Zwischenstopp. Wo das war? Natürlich bei Hard-Off, meinem liebsten Second-Hand Laden. Der Weg dorthin war allerdings, zumindest für Sandra, sehr gefährlich. Denn als wir fünf Minuten zu Fuß unterwegs waren, überquerten wir einen Bahnübergang. Es fing an zu Läuten und ich huschte über die Gleise. Sandra zögerte und blieb mit ihrem Rucksack an der sich schließenden Schranke, jenseits der Gleise, hängen und musste drunter durch kriechen. Wer war das natürlich schuld? Ich, ist ja klar. Hard-Off erreichten wir trotzdem, aber erstmal wurde ich bitter enttäuscht und fand gar nichts. Worauf kann man sich in diesem verrückten Land denn überhaupt noch verlassen? So kehrten wir zur Bahn zurück, fuhren zwei Stationen weiter und huschten kurz vor Abfahrt noch auf die Fähre nach Miyajima.
Als wir dort ankamen, war es Mittag und wir fragten uns, während wir im Ankunftsgebäude am Hafen saßen: was machen wir hier jetzt eigentlich? Wir entschieden uns für: zum Hotel laufen, Rucksäcke abgeben und dann ziellos über die Insel streunen. Kaum hatten wir diesen ausgeklügelten Plan begonnen, trafen wir schon auf die ersten umherstreifenden Rehe auf den Straßen. Denn auch auf Miyajima leben Rehe und finden es cool, in der Stadt nach Essen zu suchen. Unglücklicherweise finden sie dabei immer wieder Plastik-Sachen und fressen diese, was beim besten Willen nicht gut für die Tiere ist. Ein Beispiel dafür erlebten wir auch direkt mit, denn ein Reh hatte einem Jugendlichen sein Mittagessen stibitzt und fraß nun das in Plastiktüten verpackte Zeug. Sandra fing einen Kampf mit dem Tier an, um es zu schützen, gewann letztlich und entsorgte die Sachen im Hotel. Dort wurden wir freundlich empfangen aber Sandra sorgte für einen besonderen Aufwand. Thema diesmal: Frühstück. Im Preis enthalten war für jeden von uns ein japanisches Frühstücksset, was man uns auf einem Bild präsentierte. Sandra fragte daraufhin, ob es das auch vegetarisch gäbe und erntete dafür verständnislose Blicke der Empfangsdame, die daraufhin einen Kollegen dazu holte. Dieser sprach dann, im Gegensatz zu ihr, Englisch und fragte nach, ob sie denn Fisch essen würden – nein. Was wäre denn mit Krabben? Nein. Langsam wich auch der Glaube an die Menschheit in seinem Gesicht. Dann fragte er nach Soja Sauce, Sandra bejahte und plötzlich war alles gar kein Problem mehr. Ohne Gepäck zogen wir dann wieder los und mussten feststellen. dass in Japan definitiv das gleiche Gesetz der Schule gilt wie bei uns: vor den Ferien gibt’s erstmal nen Ausflug. Denn die ganze Insel war voller Schulklassen, die einfach nur unfassbar nervig waren. Wir liefen aber trotzdem ziellos umher, schauten mal hier und mal dort und begutachteten auch das Weltkulturerbe der Insel: den schwimmenden Schrein mit seinem im Meer stehenden Torii.
Wirklich intensiv widmeten wir uns den Sehenswürdigkeiten allerdings nicht, denn das hatten wir uns erst für den nächsten Tag vorgenommen. Stattdessen legten wir eine Pause im örtlichen Starbucks mit Blick auf das Meer ein, schauten anschließend in unserem Hotel vorbei (inklusive kleinem Nickerchen) und zogen dann noch einmal zur Nahrungssuche los.
Diese führte uns zu einem kleinen Lokal, welches die örtliche Spezialität „Okonomiyaki“ servierte. Dabei handelt es sich um eine Art Pfannkuchen, mit Nudeln, Ei und weiteren Zutaten nach Wunsch. Das Lokal war auch eigentlich gar kein Lokal, sondern gefühlt die private Küche zweier älterer Damen. Die Verständigung bei der Bestellung entpuppte sich dann, was für eine Überraschung, als schwere Geburt, aber was wir dann serviert bekamen, was das leckerste Essen, was wir in diesem Urlaub bisher hatten. Hauptverantwortlich dafür war wohl die Sauce, die, wie wir erst später herausfanden, aus Tintenfisch zubereitet wird. Was soll’s, Hauptsache es schmeckt. Anschließend bummelten wir noch etwas weiter durch die nun fast menschenleeren Straßen, verzehrten noch jeder ein Stück Kuchen bei Starbucks, genossen die Ruhe und verbrachten den restlichen Abend entspannt in unserem Hotel.
Am nächsten Morgen dann die Überraschung. Wir kamen in den Frühstücksraum und dort stand für jeden von uns ein Tablett mit einer Schüssel Granola, dazu Milch, Saft, Obst und Joghurt. Man hatte uns tatsächlich ein „westliches“ Frühstück zubereitet. Dazu wurden dann noch frischer Reis, eine Mais-Suppe und ein Salat sowie heißer Tee gereicht. Ich glaube, ich habe noch nie so viele verschiedene Flüssigkeiten auf einmal zum Frühstück gehabt, aber der Service in dem Hotel war wirklich erstklassig und das extra für uns zusammengestellte Frühstück wirklich lecker. So konnten wir gestärkt in den Tag starten und direkt zur nahelegenen Seilbahn-Station marschieren, von wo aus wir mit technischer Hilfe den Gipfel des Mount Misen, des Hausbergs von Miyajima, erklommen. Nun ja, eigentlich erklommen wir so nur die Seilbahnstation, von dort aus ging es nochmal eine halbe Stunde bergauf, bevor wir den Gipfel erreichten. Auf dem Weg dorthin konnten wir aber lustigen kleinen Mönchsfiguren und noch einigen entspannten Rehen einen Besuch abstatten.
Obwohl wir trotzdem ziemlich verschwitzt am Gipfel ankamen, wurden wir mit einem fantastischen Blick über Miyajima und das umliegende inländische Meer belohnt.
Da wir den Gipfel nun besucht hatten, mussten wir zwangsläufig den Abstieg beginnen. Aber anstatt wieder die Seilbahn zu nehmen, hatte Sandra mich davon überzeugt, einen Fußweg mit angeblich über 2000 Stufen zurück nach unten zu nehmen. Die Begründung, laut Internet: im Gegensatz zu anderen Wegen nach unten bietet dieser Weg tolle Ausblicke auf die Bucht und verläuft nicht die ganze Zeit im Wald. Wir kletterten also mehr als 45 Minuten bergab, bis die Knie und die Füße uns wohl vollkommen für geistesgestört erklärten, aber kamen wir an tollen Ausblicken vorbei? Nein. Führte der Weg durch den Wald? Ja. Fühlte sich mein Rücken anschließend an, als hätte ich mir unmittelbar nach dem Duschen ein Shirt angezogen, ohne mich abzutrocknen? Definitiv. Trotzdem schafften wir es wieder ins „Tal“ und kamen dabei sogar noch an einem schön gelegenen Tempel vorbei, den wir uns natürlich nicht anschauten. Ist ja bekannt: Kennt man einen, kennt man alle.
Stattdessen bummelten wir wieder durch den Ort und machten eine wohlverdiente Pause bei Starbucks – heute sogar wieder mit VeryStrawberryIrgendwas für mich. Anschließend liefen wir nochmal am schwimmenden Schrein und seinem Torii vorbei, machten ein paar Fotos und entschieden uns aufgrund der langen Schlange vor dem Einang, uns auch den Spaß nicht von innen anzuschauen. Es waren zwar keine Schulklassen mehr da, dafür aber umso mehr andere einheimische Gäste. Das muss wohl der Beginn dieser Golden Week sein, von der alle sprechen.
Wir holten dafür unsere Rucksäcke im Hotel ab, spazierten wieder zum Fähranleger und verließen mit zahlreichen anderen Touristen die Insel. Wenn ich es mich recht überlege, hat Miyajima den Titel Insel der Götter doch irgendwie berechtigterweise – es ist wirklich schön dort. Wieder am Bahnhof angekommen, quetschten wir uns in einen vollen Zug nach Hiroshima und kehrten ins unser Hotel zurück, wo wir unsere Koffer zurückgelassen hatten. Diese warteten dann sogar tatsächlich noch auf uns, wir bezogen kurz unser „neues“ Zimmer und zogen dann nochmal los, um uns die Burg von Hiroshima anzuschauen. Der Weg führte uns erneut am Friedenspark vorbei und auch hier war es deutlich voller als noch zwei Tage zuvor. An der Burg hingegen war es relativ ruhig, aber mehr als ein kurzer Abstecher wurde es für uns nicht.
Viel mehr begannen wir mit dem Ausklang des Tages, besuchten noch einmal die Welpen, in die Sandra sich verliebt hatte und suchten dann ein kleines Videospiel-Geschäft, für das ich mich interessierte. Als wir am Ort des Ladens ankamen, war da nur dummerweise gar kein Laden. Ich schaute nochmal bei Google Maps nach, aber wir waren richtig. Also schaute ich in das offene Wohnhaus und siehe da: ein kleiner Hinweis auf den Laden. Wir fuhren also in den dritten Stock und plötzlich standen wir in einem Raum, der mit Regalen voller alter Videospiele gefüllt war. Wirkte genau so seriös wie es klingt, aber die angebotenen Spiele sahen wirklich einwandfrei aus. Leider handelte es sich nicht um japanische Originale, sondern um die europäischen Versionen. So kaufte Sandra lediglich ein Harry Potter Spiel für ihren GameBoy und wir zogen weiter. Nun wollten wir eigentlich in ein örtliches Lokal um nochmal Okonomiyaki zu essen – das hatte uns schließlich am Vortag geschmacklich völlig überzeugt. Dummerweise speiste dort eine geschlossene Gesellschaft, sodass wir improvisieren mussten. Wir gingen zurück ins Einkaufsviertel und fanden dort ein mehrstöckiges Haus, in dem sich ausschließlich diverse kleine Okonomiyaki Buden befanden. Das Fett schien förmlich von der Decke zu tropfen und es roch alles und jeder nach den Speisen, aber es war komplett voll. Nach kurzer Wartezeit bekamen wir aber zwei Plätze, beobachteten das Schauspiel und verspeisten dann erneut die Spezialität dieser Gegend.
Es schmeckte zwar nicht so gut wie in der winzigen Küche auf Miyajima, aber lecker war es trotzdem. Anschließend ging es dann, natürlich mit einem Eis von 7Eleven als Nachtisch, inklusive einem erneuten Welpen-Stopp zurück ins Hotel, wo der Abend mit Gammeln und der Bundesliga-Konferenz seinen Lauf nehmen sollte. Innerlich begannen wir aber auch schon damit, dafür zu beten, am nächsten Tag trotz Golden Week einen Platz im Zug für unsere letzte Weiterreise nach Osaka zu bekommen. Wird es tatsächlich wie eine Fahrt mit der Deutschen Bahn? Oder werde ich mit meinem gefühlt tonnenschweren Gepäck sogar kleine Japaner zerquetschen müssen, um in den Zug zu kommen?Ihr werdet es erfahren.