Ein neuer Tag, ein neuer Ausflug – wie sollte es auch anders sein? Nachdem wir Kyoto aufgrund des fantastischen Wetters im Schnelldurchlauf erkundet hatten, brauchten wir für heute einen neuen Plan. Ehrlich gesagt stand der aber schon vorher fest, denn wir wollten unbedingt nach Nara. Mehr oder weniger im Speckgürtel von Kyoto gelegen ist es die älteste erhaltene Stadtanlage Japans. Die Stadt beherbergt neben einem großen Park mit freilaufenden Rehen auch einige Stätten, die zum UNESCO Weltkulturerbe gehören. Das konnten wir uns also nicht entgehen lassen. Also stapften wir nach dem eigentlich doch ganz passablen Frühstück zum Bahnhof, setzten uns in den Regionalzug und ab ging die Fahrt. Merkwürdigerweise hatte der Zugführer die Klimaanlage irgendwie auf Polarkreis (oder auch USA-Temperatur) eingestellt, jedenfalls wurde ich auf meinem Sitzplatz durchgehend mit eiskalter Luft aus der Decke versorgt. Obwohl es draußen sehr angenehm warm war, musste ich mir eine Jacke anziehen und die Kaputze über den Kopf stülpen um auch nur annähernd warm ein Nickerchen machen zu können. Eine Stunde später in Nara angekommen war ich dann frisch wie junger Regen und bereit, die Stadt zu erkunden – wie augenscheinlich auch eine ganze Schar anderer Touristen. Nach wenigen Metern hatten wir aber die Spitzenposition des Knäuels übernommen und konnten uns absetzen, bis wir im Nara Park ankamen. Dort wurden wir sofort von einigen Rehen begrüßt und Sandra wartete keine fünf Minuten, bis sie drei Pakete Deer-Cookies kaufte, um die Tiere auch ja anständig versorgen zu können. Kaum hatte die den ersten Cookie in der Hand, kam auch schon ein Reh vorbei, fraß und wollte mehr. Sandra gab ihm mehr, aber sein Hunger war damit nicht gestillt. Er wollte noch mehr und schnell zeigte sich: einige der Rehe verhielten sich wie Meth-Junkies und fingen an fütternde Touristen in Gruppen zu umzingeln. Trotzdem waren die Tiere wirklich süß und zahlreich im ganzen Park unterwegs – ein schönes Erlebnis.
Aber wir widmeten unsere Zeit nicht nur den Tieren, sondern auch den historischen Städten. So schauten wir beispielsweise im Todaji-Tempel vorbei, dem größten Holzgebäude der Welt.
Im Inneren warten eine gigantische Buddha-Statue mit zwei weiteren großen Buddha-Statuen auf die Besuchen. Ich muss zugeben, das Ganze hat schon ganz schön Eindruck geschindet.
Im Anschluss spazierten wir noch eine Weile durch den wirklich weitläufigen Park und beobachteten immer wieder die meist friedlichen und entspannten Rehe, während wir gleichzeitig versuchten, den Unmengen Schulkindern überall im Park auszuweichen. Keine Ahnung, was die alle dort machten, aber gefühlt hatten alle japanischen Schulen an diesem Tag Schulausflug nach Nara – stehen hier etwa schon die Sommerferien vor der Tür und die Lehrer hatten keinen Bock? Die Rehe jedenfalls ließen sich nicht wirklich davon stören und chillten einfach vor sich hin.
Auch wir waren ganz entspannt unterwegs, fütterten und streichelten immer mal wieder Rehe, gönnten uns im Vorbeigehen jeweils ein Softeis und genossen den Tag. Irgendwann waren aber die Cookies alle vernascht und es wurde Zeit, zum Bahnhof zurück zu kehren – schließlich hatten wir noch was anderes vor. Von Nara fuhren wir nämlich nach Uji, einer weiteren Stadt im Raum Kyoto mit Weltkulturerbestätten. Nach einer halben Stunde Fahrt, inklusive Power-Nap, kamen wir ziemlich neben der Kappe in Uji an und musste erstmal klarkommen. Das gelang uns irgendwie und prompt stellten wir fest: hier sind ja so gut wie keine anderen Touristen. Waren wir falsch ausgestiegen? Oder gibt es hier etwa gar nichts zu sehen? Vorsichtig und skeptisch liefen wir los und erreichten nach kurzer Zeit den Byodo-in Tempel, der gleichzeitig Unesco-Weltkulturerbe und Abbildung auf der japanischen 10 Yen Münze ist. Wie ihr merkt, scheinen wir doch noch nicht ganz den Zustand der Tempel-Sättigung erreicht zu haben, aber was soll ich sagen? Es gibt tatsächlich immer noch coole Tempel, die man sich halt einfach gerne anschaut.
Man mag es kaum glauben, aber wir haben sogar das kleine Museum auf dem Tempel-Gelände besucht und uns die dortigen Exponate angeschaut. Hat uns etwa das schlechte Gewissen des Banausentums eingeholt? Keine Sorge, das ist nicht der Fall. Aber das Museum war im Eintrittspreis inbegriffen und der Rundgang führte automatisch hindurch. Aber es war tatsächlich sogar ganz cool gemacht. Danach brauchte vor allem Sandra dringend eine Pause und da wir gerade am in etwa japanischsten Starbucks ever vorbeikamen, machten wir eine Rast.
Da ich ja bekanntermaßen als Kaffee-Hasser ein riesiger Fan von Starbucks bin, war ich nicht sonderlich angetan. Aber es gab da einen VeryStrawberryIrgendwas, der auf den Bildern ziemlich verführerisch aussah, den ich dann einfach mal ausprobierte. Und was sagt man dazu: es war ohne Kaffee und sogar verdammt lecker. Hatte wahrscheinlich aufgrund von Sahne und Sirup etwa 5000 Kalorien, aber was soll der Geiz? Wir gehen ja hier schließlich auch jeden Tag spazieren.
Nach dieser „Stärkung“ schlenderten wir weiter so gut wie alleine durch die Straßen, überquerten den örtlichen Fluss und machten dann noch einen Abstecher zum ältesten Shinto-Schrein Japans. Der war zwar nicht sonderlich spektakulär, aber hey, wenn die Unesco ihn cool findet, dann sagen wir natürlich nicht nein.
Der Rundweg durch den Ortskern führte uns anschließend wieder zurück zum Bahnhof und wir verließen Uji mit der Erkenntnis: Die ganzen Leute, die hier nicht hinkommen, verpassen eine schöne Stadt, aber die Massen dürfen auch gerne weiterhin fern bleiben.
Wieder in Kyoto angekommen, dachten wir, wir sind mal vorbildliche und vorausschauende Touristen und reservieren frühzeitig unsere Sitzplätze für unsere Weiterreise am Donnerstag. Brav stellten wir uns an, warteten und als wir an der Reihe waren dann der nette Hinweis: durchgehende Verbindungen könnten wir nur bis 8:23 nehmen, danach ginge nur mit Umsteigen. Gut, ist ja kein Thema, dann eben mit Zwischenstopp. Aber auch da bekamen wir nur noch die letzten zwei freien Plätze, die nicht einmal nebeneinander liegen. Überrascht und etwas genervt ging es dann nochmal zum Pasta-Laden, der uns schonmal überzeugte und nach einem erneut guten Mahl ging es zum Chillen ins Hotel zurück. Während des Rumhängens überkam uns aber irgendwie unabhängig voneinander der Gedanke, dass es womöglich ratsam wäre, sich auch schon um die Rückreise nach Osaka zu kümmern. Also suchten wir eine Verbindung für Sonntag, also in 5 Tagen, heraus und marschierten wieder zum Bahnhof. Der Bahn-Mitarbeiter hörte sich unseren Plan an, tippte am Computer rum und sagte dann: der Zug ist ausgebucht. Dummerweise schob er hinterher, dass ALLE Züge an dem Tag bereits ausgebucht wären. Etwas ungläubig verließen wir den Bahnhof und uns wurde klar: hätten wir doch mal auf die unzähligen Hinweise im Internet gehört. Am Samstag beginnt in Japan nämlich die Golden Week, in welcher die Japaner aufgrund günstiger Feiertags-Konstellationen 10 Tage am Stück frei haben und gerne durchs Land reisen. Überall wird geschrieben, dass man in dieser Zeit frühzeitig reservieren muss, da es sehr voll ist. Aber wir dachten: Lass die Blogger mal labern, das wird schon nicht so schlimm. Mal abwarten, wie schlimm es dann wirklich wird. Meine Vermutung: am Ende wird es wie eine normale Fahrt mit der Deutschen Bahn – mit Gepäck in den vollen Zug quetschen, irgendwo hinstellen und es über sich ergehen lassen. Einziger Unterschied: hier werden die Züge wahrscheinlich trotzdem pünktlich sein.
Nach diesem Schock und so viel Tagen Aktivität in Folge, war es am Mittwoch dann höchste Zeit für einen Off-Day. Da die Wettervorhersage zufälligerweise auch noch das passende Wetter dafür ankündigte, standen wir lediglich zum Frühstück auf und danach legte ich mich einfach nochmal hin und schlief bis Mittag weiter. Erst im Laufe des frühen Nachmittags überkam es uns dann, dass wir doch noch das Haus verlassen sollten. Also zogen wir los in Richtung Nishiki Markt, einem berühmten Markt mit allem, was man hier auf einem Markt so finden kann. Auf dem Weg dorthin, wir liefen die 45 Minuten natürlich, kamen wir noch an reichlich kleineren und größeren Tempeln vorbei, was uns zum Schluss kommen ließ: Was Rom für Kirchen ist, muss Kyoto für Tempel sein. Denn egal wo man auch entlang geht, der nächste Tempel ist niemals weit entfernt. Gleichzeitig nahmen wir auch das erste Mal so richtig den Kyoto Tower wahr, der von den einen als Symbol des modernen Kyotos gesehen wird, von anderen allerdings auch als Schande für das Stadtbild. Ich bin ja prinzipiell ein großer Fan von Türmen, aber in diesem Fall gehöre ich definitiv zu den anderen – das Ding ist einfach nur unpassend.
Als wir dann am Nishiki-Markt ankamen, reihten wir uns in die Reihen der anderen Besucher ein und schlenderten einmal über den kompletten Markt.
Hier und da blieben wir stehen, schauten uns die angebotenen Waren an und dachten uns irgendwann: so langsam wäre etwas Essbares gar nicht schlecht. An einem Stand gab es dann frittierte Sachen, deren auf Schildern beschriebene Zutaten tatsächlich vegetarisch klangen. So bestellten wir zweimal ein Frittier-Stück mit Curry, Potato and Onions und just in dem Moment, als ich bezahlt hatte, sah ich ein Schild mit dem Hinweis, dass es sich bei allem um Fischkuchen handelt. Dem war auch so und statt einer vegetarischen Speise gab es so frittierten Fisch mit den restlichen Zutaten. Danach schlenderten wir weiter, bogen am Ende des Marktes auf eine andere Shoppingstraße ab und liefen auch diese gemütlich von Anfang bis Ende ab. Es war das erste Mal in Japan, dass wir das Gefühl hatten, man könne hier wirklich auch shoppen. Einzig getan haben wir es nicht – ich hatte ja in den zwei Wochen zuvor weiß Gott schon genug Geld in Retro-Spiele gesteckt.
Als wir auch dieses Shopping-Areal erkundet hatten, wollten wir uns dann auf den Heimweg machen, bevor der angekündigte Regen endgültig anfing. Auf dem Weg schauten wir aber noch im Pokemon-Center vorbei, weil ich wissen wollte, was das denn überhaupt ist. Erkenntnis: ein Fanshop mit allem, was das Pokemon Herz begehrt – inklusive Pikachu im Geisha Outfit.
Da unsere Motivation für einen Fußweg zurück zum Hotel nur semi-ausgeprägt war und zufällig im gleichen Gebäude die Subway-Station war, gingen wir ins Untergeschoss und kamen dabei zufällig an einem ziemlich schicken Foodcourt vorbei. Wir schauten uns um, entdeckten ein mexikanisches Restaurant und schauten uns das genauer an. Da unsere Alternative für die Mahlzeit des Tages erneut Pasta war, entschieden wir uns, es einfach mal zu versuchen. Leider waren die Burritos nicht sonderlich gut gewürzt, weil man scheinbar das komplette Salz bereits für die Beilagen-Pommes aufgebraucht hatte. Dass wir für den Preis der Burritos vier LargeLarge Portionen Nudeln bekommen hätten, machte das Esserlebnis nicht gerade besser. Aber immerhin war die Bedienung sehr freundlich, es gab vegetarische Optionen und sie sprach Englisch. Damit muss man sich manchmal hier halt auch einfach zufrieden geben.
Nach dem Essen fanden wir dann auch noch den Weg zur U-Bahn, fuhren mit reichlich grimmig drein blickenden Japanern in den Feierabend und beendeten somit dann auch unseren letzten Tag im schönen Kyoto. Am Abend hieß es dann mal wieder: Koffer packen und präventiv hoffen, dass wir unser Gepäck in den Zügen bei der Weiterreise irgendwie unterkriegen würden