Die schöne Zeit in Kanada endete am Morgen des 11. September ziemlich grau und letztlich mit einem Stau an der US-Amerikanischen Grenze. Grund dafür war allerdings nicht wirklich der Andrang, sondern eine kleine Parade vor Ort. Wahrscheinlich fand diese im Gedenken an die Opfer der Terroranschläge 2001 statt, aber wirklich Informationen konnten wir darüber nirgendwo finden. Irgendwann wurden wir dann aber doch mit einem Grenzbeamten konfrontiert und es war eine besondere Begegnung – denn der Mann war doch tatsächlich freundlich und wirkte gut gelaunt. Nach ein paar der üblichen Fragen drückte er uns unsere Reisepässe wieder in die Hand und wünschte uns noch einen schönen Tag. So waren wir zurück in den USA, stellten im Auto und in unseren Köpfen jegliche „normalen“ Einheiten wieder in Meilen, Gallonen und USD um und setzten unsere Reise Richtung Seattle fort. Nach zwei Stunden auf der Interstate machten wir aber bereits in Everett Halt, denn wir hatten eine Verabredung. Im Future of Flight Center von Boeing nahmen wir an einer Besichtigung des Boeing Werkes Teil und konnten dabei zusehen, wie all die Flugzeuge, mit denen wir uns so fortbewegen, im volumenmäßig größten Gebäude der Welt zusammengebaut werden.
Was auf den ersten Blick nicht sonderlich spannend klingen mag, war wirklich interessant und hat mich schon auch zu einem kleinen Boeing-Fan werden lassen. Vor allem lag dies aber auch an unserem Führer Dave, dem man in jeder Sekunde anmerkte, dass er seinen Job liebt und stolz ist, bei Boeing zu arbeiten. Fotos von der Tour selbst gibt es derweil nicht, denn in der Manufaktur sind Kameras streng verboten. Angeblich, weil Leute diese fallen lassen und so Menschen und Flugzeuge beschädigen könnten. Dass dies aber nur eine nett verpackte Geschichte ist, um das Wort Industriespionage nicht in den Mund nehmen zu müssen, liegt auf der Hand.
Dave war es auch, der uns bei grauem Himmel und leichtem Regen ein herzliches Willkommen im pazifischen Nordwesten der USA aussprach. Wir sollten uns an diese Bedingungen gewöhnen, denn genau so sähe es hier immer aus. Wir kannten dieses tolle Wetter ja bereits aus Vancouver, aber auf der Weiterfahrt nach Seattle riss die Wolkendecke tatsächlich etwas mehr auf und wir wurden von der Sonne in der größten Stadt unserer Rundreise begrüßt. Trotz Staus, der offenbar ununterbrochen in Seattle herrscht, nutzten wir die günstigen Umstände und suchten zu allererst den Kerry Park auf, um uns von der Skyline der Stadt einen ersten Eindruck unseres letzten Ziels des Urlaubs zu machen.
Nach diesem zweifellos positiven Eindruck schlichen wir durch die vollen Straßen zu unseren Unterkunft – erneut eine AirBnB Wohnung. Nach der eher semi-coolen Waschküche war die Sorge groß, dass es erneut mega geht so werden würde, aber dieses Mal waren die Befürchtungen unbegründet. Mit verschiedenen Codes und über gefühlt 100 Aufzüge, Treppen und Türen gelangten wir in unsere Wohnung im Herzen eines Apartment-Komplexes und waren einfach froh, wie cool diese eingerichtet war. Es gab absolut gar nichts zu meckern und so konnten wir uns im Anschluss des Nahrungssuche widmen. Diese führte uns durch unser tierisch hippes Viertel (die Hipster und Alternativen Quote lag hier locker bei 90%, ergänzt um Obdachlose und Normale) zu einem Burgerladen, der sich seine guten Bewertungen bei Tripadvisor redlich verdient hatte. Der Signature Burger, den ich bestellt hatte, war einfach unglaublich lecker und damit war das Thema Burger für diesen Urlaub für mich auch erledigt. Die Gier war gestillt und ich war zufrieden. Den Rest des Abends verbrachten wir dann noch mit einem weiteren Escape Game zum Thema Leonardo DaVinci, welches wir erneut erfolgreich bestritten und welches erneut echt cool gemacht war. Die Amerikaner und Kanadier haben diese Escape-Rooms schon drauf, das muss man neidlos anerkennen. Von der Euphorie des Erfolges, die mir in meinem Leben vor allem in sportlicher Hinsicht ja eher fremd ist, angetrieben, besuchten wir dann zum Abschluss des Tages nochmal den Aussichtspunkt im Kerry Park und urteilten, dass Seattle auch bei Nacht durchaus eine gute Figur macht.
Am nächsten Morgen krochen wir zu einer fast schon unchristlichen Zeit bei grauem Himmel aus dem Bett, weil für ab 8 Uhr morgens Handwerker angekündigt waren, die eigenständig die Wohnungstür streichen sollten. Einer gewissen Dame war dies ein kleiner Dorn im Auge, sodass sie vor dieser frühestens Uhrzeit bereits fertig sein wollte. Bis zum Verlassen der Wohnung tauchte dann allerdings kein Handwerker auf – im Grunde also die ganze Aufregung für die Katz. So konnten wir aber bereits früh Seattle in Grau erkunden und gelangten völlig ungestört zum Bereich des Amazon Hauptquartiers. Der Versand-Riese wurde in Seattle geboren und hat im Stadtzentrum eine Art Campus gebaut, auf welchem sich sowohl Mitarbeiter als auch Normalos tummeln können. Wir spielten dort etwas Fußball-Billard und sahen dabei zu, wie sich die Wolkendecke nach und nach öffnete.
Während um uns herum die Amazon Mitarbeiter zur Unterstützung von kranken Kindern in ihren Pyjamas herumliefen, ließen wir es uns nicht nehmen, in den Amazon Supermarkt zu gehen. Mit Hilfe einer App erhält man als Amazon Kunde Zutritt, kann sich bei den angebotenen Lebensmitteln bedienen und anschließend einfach wieder rausgehen. Dieses Grab and Go Shopping fühlte sich schon ein wenig wie Klauen an, aber nur wenige Augenblicke nach Verlassen des Ladens bekam ich per Mail meine Rechnung zugestellt, die automatisch meiner Kreditkarte belastet wurde – ohne Scannen, ohne Kassierer, ganz automatisch. So verrückt es sich anfühlte, so cool war es auch. Gestärkt von den gekauften Snacks ging es danach weiter zum Pike Place Market, einer der zentralen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Auf dem Gelände dieser Markthalle wimmelte es dann auch von Touristen und Händlern, die ihre frischen Waren von Obst über Lammkeulen bis hin zu Seeteufeln anpriesen. Da ich Markthallen in etwa so gerne mag wie Zahnarzt-Besuche, hatte ich dort nicht sonderlich viel Spaß. Auch ein Besuch beim ersten Starbucks der Welt, denn auch diese Weltmarkt hat ihre Heimat in Seattle, blieb aus, da ich zum einen Kaffee nicht cool finde, zum anderen der komplette Laden aber auch voll mit Asiaten war. Für sie fühlte es sich wahrscheinlich an wie Zuhause, für mich war es definitiv keine erstrebenswerte Fülle. Daher ging unser Weg weiter zum Wasser, denn auch davon hat Seattle reichlich am Start. Dummerweise haben die Leute es hier nicht geschafft, einen schönen Hafenbereich zu gestalten. Denn neben dem Industriehafen wirkt sowohl die Skyline als auch der ganze Bereich am Wasser davor eher notdürftig und lieblos zusammengeschustert wie ein Kunstprojekt in der Schule, mit dem man am Abend vor der Abgabe erst angefangen hat.
Einzig der blaue Himmel sorgte dafür, dass das Ganze ansehnlich wirkte. Aber auch wenn man am Wasser entlang spazierte, wurde es einfach nicht schöner. Hier könnte man als Stadt wirklich deutlich mehr draus machen. Deshalb verließen wir dann auch die Waterfront um zum architektonischen Wahrzeichen der Stadt zu gelangen: der Space Needle. Das Symbol der Weltausstellung 1962 (wieso baut man zu Weltausstellungen eigentlich so gerne Türme?) ist zwar etwas in die Jahre gekommen, aber trotzdem ist es irgendwie charmant und vor allem der Blick von oben kann schon Einiges.
Da wir ja dafür bezahlt hatten, verbrachten wir auch einige Zeit auf der Space Needle und schauten den Leuten dabei zu, wie sie „cool“ an der Glasfront lehnten und ihr Abstürzen auf Fotos simulierten (haha wie lustig und originell) oder wie Menschen durch die Scheiben fotografierten, anstatt die extra dafür vorgesehenen Aussparungen zu nutzen. Manche Mitmenschen waren scheinbar einfach abwesend, als sie beim Verteilen von Intelligenz an der Reihe gewesen wären. Auch der sich drehende Glasboden eine Etage tiefer verführte viele der eher einfach gestrickten Kameraden zu lustigen Fotos, während wir ihn für ganz cool erachteten und anschließend den Aufzug nach unten nahmen. Vom Boden der Nadel waren wir dann irgendwie zu faul, den ganzen Weg zurück zu laufen. Also entschieden wir uns für ein weiteres Überbleibsel der Weltausstellung: die Seattle Monorail. Was damals ein futuristisches Verkehrsmittel war, ist heute eine retro-angehauchte Einschienenbahn, deren einzige Strecke genau 1,6 Kilometer lang ist und die eher als charmante Vergnügungsfahrt und weniger als echtes Verkehrsmittel gesehen werden kann. Immerhin brachte sie uns zurück nach Downtown, wo wir noch durch ein paar Shops tingelten bevor wir uns auf den Heimweg machten – es war immerhin schon früher Nachmittag, es zog wieder zu und vor allem hatten wir Hunger. Dieser wurde auf dem Fußmarsch zurück zum Capitol Hill, unserem hipster Viertel, nicht gerade kleiner, sodass wir fast ohne Umwege zum Thailänder um die Ecke wanderten. Was uns dort serviert wurde, hatte dann aber mit gutem Essen herzlich wenig zu tun. Der gebratene Reis schmeckte extrem merkwürdig, während das knusprige Hähnchen nur mit sehr viel Wohlwollen etwas mit Hähnchen zu tun hatte. Es schmeckte eher wie etwas, was mit einem Spaten von der Straße gekratzt, anschließend gebraten, nicht aufgegessen und danach nochmal frittiert wurde, bevor man es mir servierte. Ich habe das Zeug nicht runter gekriegt und musste mir daher aus Frust anschließend noch Eiscreme kaufen – das Leben kann schon hart und grausam sein. Der Rest des Tages war dann eher chillig, bevor wir uns Abends zum vierten Mal in diesem Urlaub freiwillig in einen Raum voller Rätsel sperren ließen. Auf dem Weg dorthin schien ich einem Passanten mit dem Jeep irgendwie einen Schreck eingejagt zu haben, jedenfalls starrte er mich so dermaßen penetrant und verstört an, dass ich schon Angst hatte, er würde gleich wutentbrannt auf das Auto einprügeln, bevor er mich um meine Wertsachen erleichterte. Passiert ist dies nicht, aber dafür wurde der Escape Room ein ganz enges Höschen. Eine Minute vor Zeitablauf schafften wir es, wären allerdings fast an unseren mangelhaften englischen Vokabelkenntnissen auf dem Themengebiet der Nautik gescheitert – in Zukunft werde ich also vermehrt nautische Begriffe in meinen Wortschaft integrieren müssen. Nach diesem knappen Erfolg setzten wir die Segel dann wieder auf Kurs Unterkunft und machten dort für diesen Tag die Schotten dicht.
Den letzten vollen Tag des Urlaubs gestalteten wir dann äußerst standesgemäß: Ausschlafen, Frühstück, Outlet-Mall. Dort kamen wir logischerweise erst Mittags an, verbummelten erneut einige Stunden in Begleitung von hauptsächlich Indern und Asiaten in diversen Läden und hatten trotzdem eine äußerst entspannte Zeit. Es fühlte sich doch tatsächlich wie Urlaub an, denn da wir sonst für den Tag nichts mehr geplant hatten, mussten wir auch nicht auf die Uhr schauen. Von dort aus ging es dann zum letzten Abendessen nochmal zu Denny’s – auch das ist irgendwie standesgemäß. In gewohnt muffigem Ambiente gab es so das gewohnt schmackhafte und wenig gesunde Essen, welches man abseits des USA Urlaubs irgendwie gar nicht so sehr vermisst. Im Stau auf dem Heimweg, ob es noch der gleiche wie bei unserer Ankunft in Seattle war oder ein neuer konnten wir nicht herausfinden, konnten wir dann die ganze Reise noch einmal Revue passieren lassen und kamen zu dem Schluss: wir hatten wirklich mal wieder eine gute Zeit hier in Nordamerika, die trotz 2,5 Wochen vor Ort so schnell verging, wie die Mittagspause auf der Arbeit. Aber eine abschließende Zusammenfassung werde ich natürlich auch noch liefern – nach dem ewigen Rückflug zurück nach Hause, der sich definitiv wieder einmal länger anfühlen wird, als der komplette Urlaub.