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USA/Kanada 2018: Quer durch’s Land – Über Spokane bis nach Montana

Kennt ihr das, wenn ihr um 6:30 morgens ohne Wecker wach werdet und das Gefühl habt, ihr hättet genug geschlafen? Ich weiß, das klingt nach einem völlig abgedrehten Fiebertraum, aber irgendwie ist es bisher in diesem Urlaub Realität. Normalerweise kann vor meinem Fenster ein Güterzug mit Feuerwerkskörpern entgleisen, während David Hasselhoff die Mauer zum Einsturz singt, ich werde nicht so einfach um 6:30 wach. Noch weniger mit dem Gefühl genug geschlafen zu haben, denn das ist mir in der Regel völlig fremd – in etwa wie „zu viel Fußball im TV“ oder Sättigung bevor mir schlecht wird. Aber ich will mich nicht beschweren, denn so kommt man morgens entspannt in die Gänge und ist trotzdem zeitig beim Frühstück und wieder auf der Straße. Also außer, man legt sich nach dem Essen nochmal hin weil dieses Frühstücksding nach der kräftezehrenden Verdauung des mexikanischen Essens des Vorabends einfach zu hart ist. So geschehen in Yakima, sodass es erst im Laufe des Vormittags mit einem kurzen Einkauf bei Walmart und der anschließenden Weiterfahrt wieder richtig los ging.

Schlappe 3 Stunden später durch verdammt trockenes Land im Evergreen State Washington näherten wir uns dann unserem nächsten Etappenziel: Spokane. Wirklich eine Vorstellung von der zweitgrößten Stadt des Bundesstaates hatten wir nicht, sodass wir erstmal das örtliche Family Fun Center für eine Partie Minigolf ansteuerten. Aber schon auf dem Weg durch die Stadt fiel uns auf, dass Spokane doch womöglich gar nicht mal so mies sein könnte, wie man es von einer Stadt im Niemandsland erwarten würde. Der Golfkurs war leider nicht sonderlich gepflegt, aber einen jahrelangen Minigolf-Profi wie mich bringt so etwas höchstens kurzfristig aus dem Konzept. Einen knappen Sieg für „The Beast“ später saßen wir dann zusammen und überlegten, was wir denn mit dem angefangenen Tag noch so anstellen könnten. Kurzerhand entschieden wir uns dazu, uns mal etwas zu gönnen, stornierten unser geplantes Hotel und buchten die Nummer 1 am Platz – immerhin 20 Dollar teurer als das ursprünglich gedachte Quality Inn. Damit hatten wir dann augenscheinlich den Gönnermodus aktiviert, denn kurzerhand fuhren wir in die nächstgelegene Mall zum Shopping. Believe it or not, aber ich wurde nicht fündig, so verzweifelt ich auch nach unnötigen Sachen ausschau hielt. Aber immerhin erhielt ich mehrere bewundernde Blicke sowie auch ein ausgesprochenes Kompliment für mein Shirt – endlich erkannte jemand meinen exquisiten Modegeschmack. Anschließend ging es dann ins Hotel, wo wir mit Gutscheinen für die Hotelbar empfangen wurden und ein Zimmer beziehen durften, welches im Vergleich zu den bisherigen Unterkünften fast schon einem Schloss glich. Geflasht von dieser Anerkennung unserer Relevanz machten wir uns dann noch zu Fuß auf den Weg, Spokane zu erkunden. Da die Leute vor Ort scheinbar irgendetwas zu feiern hatten, dem Namen nach zu urteilen etwas mit Schweinen im Park (Pig Out in the Park), erhielt ich auch dort noch reichlich Bewunderung für meinen Style und konnte gleichzeitig die gar nicht mal so schlechte Stadt genießen. Der Hashtag #Spokanedoesntsuck, immerhin der zweit meist genutzte mit Spokane-Bezug, schien also wirklich der Wahrheit zu entsprechen.

Da Wasser eine Stadt automatisch extrem aufwertet, weiß ja jeder, wusste Spokane durch die Lage am Spokane River und den scheinbar auch bei irgendwem berühmtem Spokane Falls zu gefallen. Die Wasserfälle waren, zugegebenermaßen, jetzt nur so semi-spektakulär, aber hey, was erwartet man schon am östlichen Rand von Washington State?

Weil ich ausnahmsweise mit guter Laune gesegnet war, packte ich einfach mal spontan den Romantik-Ninja-Move aus und wir fuhren mit einer Seilbahn über den Fluss im Sonnenuntergang. Haben sich 8 Dollar pro Person dafür gelohnt? Geht so. War es ein einmaliges Erlebnis? Geht so. Also eine richtig gute Entscheidung von mir – so kennt man mich.

Nach der gefühlt erholsamsten Nacht des Urlaubs und dem mittlerweile fast schon obligatorischem Aufwachen ohne Wecker um 6:30 (werde ich womöglich jetzt schon zum Rentner?) guckten wir uns dann nach einem ausgiebigen Frühstück noch eine weitere Sehenswürdigkeit von Spokane an: die Gonzaga Universität. Die Heimat der Gonzaga Bulldogs führte uns dann einmal mehr vor Augen, wieso es in Amerika einfach viel cooler ist zu studieren, als in Deutschland: das Gelände war einfach ne richtig feine Sache. Da geht man dann direkt viel lieber hin um zu lernen, als Zuhause im Rahmen des Fernstudiums mit den Skripten den Schreibtisch zu tapezieren, ohne sie aber überhaupt mal aufzuschlagen und sich stattdessen mit der 57. Wiederholung von The Big Bang Theory die Zeit zu vertreiben.

Nachdem ich mich dann mit den obligatorischen Uni-Shirts aus Spokane eingedeckt hatte, jeder weiß ja, dass ich mehr Shirts brauche, ging es wieder in den Jeep und zurück auf die Straße. Um die insgesamt knapp 4,5 stündige Fahrt ein wenig aufzulockern, machten wir nach nicht einmal einer Stunde Halt in Coeur d’Alene, der ersten größeren Ortschaft in Idaho – gut aufgepasst, wir haben die erste Staatsgrenze überfahren. Laut Reiseführer wurde der gleichnamige See von National Geographic zu einem der fünf schönsten Seen weltweit gekürt – auch wenn Google von dieser Auszeichnung irgendwie nichts weiß. Also entweder handelt es sich hier um Fake-News oder die Auszeichnung muss so lange zurück liegen, dass ans Internet noch nicht zu denken war. Was auch immer der Fall sein mag, der See war wirklich schön und so konnten wir dort noch ein wenig Zeit verbringen, bevor die Straße uns wieder zu sich rief.

Auf dieser verbrachten wir dann die nächsten knapp 3,5 Stunden unseres Lebens und fuhren dabei nicht nur über eine weitere Staatsgrenze, diesmal nach Montana, sondern irgendwo im Nichts auch über eine Zeitgrenze, die uns einfach mal eine Stunde Lebenszeit raubte. In etwa also der gleiche Effekt, wie wenn man versehentlich RTL oder gar RTL II einschaltet – nur ohne die verblödenden Langzeitschäden. Ich würde ja jetzt gerne etwas über die Fahrt berichten, aber die war reichlich unspektakulär und die Landschaft lässt sich ziemlich schnell und zusammenfassend beschreiben: karg, trocken, hügelig, gelegentlich bewaldet und ab und zu mal irgendwas mit Wasser. Kein Wunder also, dass Idaho einer der am dünnsten besiedelten Staaten der USA ist und auch Montana da nicht sonderlich weit hinterher hinken kann – hier gibt’s halt einfach arg wenig zu sehen und zu tun. Wieso wir dann überhaupt den ganzen Weg auf uns nehmen? Weil dort mit dem Glacier Nationalpark ein weiteres Natur-Highlight auf uns wartet. Daher kehrten wir am Ende des Tages in Kalispell ein – einer Ortschaft am westlichen Rande des Nationalparks. Als das Navigationsgerät uns auf dem Weg zu unserer Unterkunft dann aber durch einen Trailerpark schickte, fragten wir uns zeitgleich, wie geistig umnebelt wir bei der Buchung dieses Hotels denn bitte gewesen sein müssen. Aber die Dame an der Rezeption war freundlich, empfahl uns zum Frühstück frisches Büffel-Fleisch und machte unpassende Witze darüber, dass alle Tiere, die wir im Nationalpark nicht sehen würden, ja sowieso ausgestopft in der Lobby des Hotels zu finden wären. Klingt spooky, und genau so zusammengewürfelt, degeneriert und eigenartig war auch das gesamte Hotel eingerichtet. Kann man etwas anderes erwarten, wenn man aus dem Zimmerfenster auf einen Trailerpark am Rande eines Highways blickt? Ich denke nicht. Ob ich darüber nach einer Nacht hier anders denken werde? Ich werde davon berichten.

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