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USA/Kanada 2018: Quer durch die Rockies – Banff, Yoho und Jasper National Park

Mittwochmorgen, 6:00. Im idyllischen wie ruhigen Hotel in Lake Louise liege ich gemütlich im Bett, schlafe tief und fest und träume von einer Zeit, in der ich mir problemlos einen ganzen Urlaub in Chalet-Hotels wie diesem leisten kann. Alles ist super, bis zu dem grausamen Moment, in welchem der Wecker mich erbarmungslos aus dem Schlaf reißt. Wie in Trance wandere ich ins Badezimmer, dusche und mache mich fertig, nur damit wir noch vor sieben und bei minus 2 Grad das Hotel verlassen können, um den Sonnenaufgang am Maligne Lake zu erleben. Bis auf die Tatsache, dass ich auch im Auto noch in einer Art Wachkoma agierte und bei Minusgraden aufgrund des „Sommerurlaubs“ keinerlei passende Kleidung parat hatte, verlief der Plan auch ganz passabel. Zumindest bis wir um kurz nach 7 am Parkplatz ankamen und dieser schon bis auf den letzten Platz gefüllt war. Man kann sich vielleicht vorstellen, wie sehr ich die anderen Menschen und alles auf dieser Welt in diesem Moment innerlich verflucht habe. Da ich aber nicht für eine solche Enttäuschung meinen heiligen Schlaf abgebrochen haben wollte, stellte ich das Auto nach einem kurzen Moment des Nachdenkens vor eine Mülltonne am Rande eines Fußgängerüberweges, stieg aus und stapfte durch die Kälte zum See. Meine Hände froren fast an der Kamera fest und die Bändigung meines Menschenhasses kostete mich eine ganze Menge Kraft, aber zumindest bekamen wir das zu sehen, was wir wollten.

Um die verlorene Kraft dann zumindest im Ansatz wieder aufzuladen, ging es anschließend noch einmal zurück ins Hotel für ein kurzes Nickerchen. Mit etwas Verspätung setzten wir dann nach dem Verzehr unserer Tim Hortons Snacks vom Vortag zum Frühstück (ein bisschen Armseligkeit muss auch in diesem Urlaub mal sein) unsere Reise durch die Rocky Mountains fort. Dabei ging es zunächst in den nahe gelegenen Yoho Nationalpark, wo wir zunächst den Emerald Lake ansteuerten. Wie quasi jedes Gewässer dieses Urlaubs war auch dieser See wirklich schön und passte perfekt in das umliegende Bergpanorama. Findet ihr nicht auch, dass dieses Foto mit den Kanuten fast schon in einen Reisekatalog gehört?

Im Anschluss ging es weiter zu den Takkakaw Falls, den offiziell zweithöchsten Wasserfällen Westkanadas. Dort war’s ganz nett, aber so wirklich flashen konnten mich diese Fälle nicht. Hatte ich etwa den Punkt der Übersättigung mit Berglandschaft und Gewässern erreicht?

Einige Zeit später konnte ich feststellen, dass es noch nicht so weit war. Denn kaum waren wir aus Yoho, dem scheinbar nicht so ansehnlichen Cousin vom Banff Nationalpark, raus und wieder in Banff drin, erreichten wir mit dem Peyto Lake das Highlight dieses Tages. Nach einem kurzen wie Steilen Fußmarsch vom viel zu vollen Parkplatz kamen wir zu einem völlig überfüllten Aussichtspunkt und entschieden umgehen, weiterzugehen. Eine kurze Wanderung durch den Wald später kamen wir zu einem weiteren Aussichtspunkt, den die unzähligen Reisegruppen, welche von verschiedenen Bussen ausgespuckt wurden, nicht auf dem Schirm hatten. Dort waren wir nämlich so gut wie alleine und konnten die unglaubliche Aussicht in vollen Zügen genießen und dabei sogar mit einigen Streifenhörnchen rumkumpeln. Der kleine Kamerad am linken Rand des Titelbildes schien dabei so etwas wie der fotogeile Anführer zu sein, denn er posierte wie ein Influencer gekonnt vor den Kameras vor Ort. Insgesamt eine wahnsinnig idyllische Szenerie.

Nach diesem Erlebnis verließen wir dann den Banff Nationalpark und gingen nahtlos über nach Jasper. Dort fuhren wir den 230km langen Icefield Parkway entlang Richtung Norden, entlang an wundervollen Bergpanoramen, Seen und Gletschern. Wer an einen Roadtrip durch Kanada denkt, der wird genau solche Bilder vor Augen haben.

Genau wie man bei so einem Trip wohl reichlich Tier-Sichtungen erwartet. Zu den unzähligen Streifenhörchen und was wir sonst so gesehen haben, gesellte sich dann heute noch eine kleine Herde Bergziegen, die lässig an der Autobahn einen Nachmittagssnack zu sich nahmen. Dass sie beim herumlungern den Verkehr auf beiden Spuren blockierten und sich selbst in Gefahr brachten, juckte die Zeitgenossen aber nicht auch nur im Ansatz. Das nenne ich Gelassenheit.

Auf der weiteren Fahrt auf dem Icefield Parkway kamen wir dann auch noch am Athabasca-Gletscher vorbei, der Teil des Columbia Eisfeldes ist. Dieses wiederum ist eine der größten Ansammlungen von Eis südlich des Polarkreises. Der Gletscher selbst ist von der Straße gut sichtbar und kann auch mit speziellen Bussen befahren werden, wobei sich mir nicht erschließt, wieso man so etwas tun sollte. Der Gletscher hat in den letzten 125 Jahren mehr als die Hälfte seines Volumens verloren und zieht sich immer weiter zurück. Man könnte meinen, dass dies mit der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung zu tun hat, aber laut den Fake-News-Anhängern ist es halt derzeit einfach nur etwas wärmer und man sollte sich doch darüber freuen. Ist klar Leute, und der Weihnachtsmann und der Osterhase machen momentan zusammen Urlaub in den Emiraten, weil sie ja nichts zu tun haben.

An der Stelle, an der ich dieses Foto gemacht habe, machte es sich etwa 1908 der abgelichtete Gletscher noch gemütlich. Wen das nicht zumindest ein wenig nachdenklich stimmt, der sollte mal den Kopf einschalten.

Aber genug Moralapostel gespielt, denn der Tag war ja noch nicht vorbei. Wirklich etwas angeschaut haben wir uns aber nicht mehr, denn wir hatten einfach genug gesehen und etwas wirklich reizvolles lag auch nicht mehr auf dem Weg. Also verließen wir den Park und kehrten ins Jasper Village ein, wo wir eigentlich erstmal unser Gepäck im Hotel abladen wollten. Dummerweise kippte bei unserer Ankunft gerade ein Reisebus einen Haufen Rentner aus, die sich brav in einer Reihe beim Check-in anstellten und den Verkehr so sehr lahm legten, wie sie den Altersschnitt im Ort in die Höhe trieben. Also planten wir um und gingen im Ort erstmal etwas essen. Dabei gingen mir auch dort die Touristenmassen tierisch auf die Nerven, die alle Nase lang aus irgendwelchen Reisebussen kamen, als gäbe es irgendwo ein Nest. Einen Platz in einer Pizzeria konnten wir trotzdem ergattern und bekamen sogar wirklich vernünftige italienische Pizza serviert. Gesättigt und geschafft vom Tag wollten wir dann nur noch chillen, doch in unserem Hotel teilte man uns mit, man sei überbucht und hätte uns ins Nachbarhotel geupgraded. Wenn das ein Upgrade sein soll, will ich nicht wissen, was wir eigentlich für ein Zimmer hätten bekommen sollen, denn unser jetziges erinnert mehr an eine ranzige Kaschemme als an ein Hotel. Lage im Souterrain, Eingangstür unter einer Treppe, Blick aus jedem Fenster auf den Parkplatz, abgewohnte Möbel aus den 70ern, merkwürdige Fliesen, von denen man nicht weiß, ob die Flecken Muster, Produktionsfehler oder einfach Dreck sind – wer Motels aus Filmen kennt, der kann sich in etwa vorstellen, wo wir hier jetzt wohnen. Und wenn sich einer der Nachbarn in den Zimmern um uns herum die Nase putzt oder einen laut fliegen lässt: ich bin mittendrin statt nur dabei. Das ist dann wohl der Qualitäts-Abstieg, der uns nach dem zu schicken Chalet nun zurück auf den harten Boden der Tatsachen zurückholen soll. Also schauen wir mal, was uns morgen so erwartet. Falls ihr spätestens übermorgen nichts Neues von mir gelesen habt – rächt meinen Tod.

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